Fragen zur Vorlesung vom 17. April 2012, Stand: 26. Juni 2012
- Schildern Sie den Ablauf eines landgerichtlichen Zivilverfahrens:
- Klageinreichung gem. § 253 ZPO (Zuständigkeit des Landgerichts als erste Instanz besteht bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten ab einem Streitwert von über 5.000 EUR, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG)
- schriftliches Vorverfahren gem. § 276 ZPO oder früher erster Termin gem. § 275 ZPO (Wahlmöglichkeit des Vorsitzenden gem. § 272 Abs. 2 ZPO)
- Güteverhandlung gem. § 278 Abs. 2 ZPO (bei Erfolg: Vergleich der Parteien), bei Scheitern
- früher erster Termin oder Haupttermin gem. § 279 Abs. 1 Satz 1 ZPO, gegebenenfalls
- Beweisaufnahme
- Urteil gem. §§ 300 ff. ZPO
- Schildern Sie den Ablauf eines Strafverfahrens.
- bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten Ermittlungsverfahren durch (Polizei als Ermittlungsbeamtin der Staatsanwaltschaft oder unmittelbar durch) Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 2 StPO)
- bei hinreichendem Tatverdacht Anklageerhebung durch Anklage (§ 170 Abs. 1 StPO) oder Strafbefehl (§ 407 StPO)
- bei geringer Schuld pp. Einstellung (§§ 153, 153 a StPO)
- bei Fehlen hinreichenden Tatverdachts Einstellung (§ 170 Abs. 2 StPO)
- Zwischenverfahren vor Gericht
- Hauptverfahren (Hauptverhandlung) mit Urteil durch Gericht (§ 203 StPO)
- Vollstreckungsverfahren durch Staatsanwaltschaft (§§ 449 ff. StPO)
- Kennen Sie Verfahrensmaximen, die sowohl im Zivilprozess als auch im Strafprozess und auch in allen anderen Prozessen Geltung beanspruchen?
- Konzentrationsgrundsatz (das Verfahren ist so schnell wie möglich durchzuführen - Ausprägung des Rechtsstaatsprinzip)(z.B. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, 229 StPO, § 272 Abs. 1 ZPO)
- Grundsatz der Öffentlichkeit, § 169 S. 1 GVG (Ausnahme hiervon im Zivilprozess z.B. in Scheidungsverfahren)
- Grundsatz der Mündlichkeit (z.B. §§ 261, 264 StPO, § 128 Abs. 1 ZPO)
- Grundsatz der Unmittelbarkeit (das erkennende Gericht muss sich ein unmittelbares Bild der relevanten Tatsachen machen)(z.B. §§ 226 Abs. 1, 250 StPO, § 355 Abs. 1 ZPO)
- Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG)
- Kennen Sie dem Zivilprozess eigene Verfahrensmaximen?
- Ja, und zwar die sog. "Dispositionsmaxime". Sie besagt - als Ausdruck des allgemeinen Prinzips der Privatautonomie -, dass die am Verfahren beteiligten Parteien über eben dieses herrschen und das Gericht nicht selbst "von Amts wegen" tätig werden kann. So kann - getreu dem Prinzip nullo actore nullus iudex - nur die klägerische Partei das Verfahren einleiten oder durch Klagerücknahme (sofern noch nicht mündlich verhandelt wurde; danach kann die Klägerin jedenfalls nicht ohne Zustimmung des Beklagten) beenden. Auch darf beispielsweise das nächstinstanzliche Gericht nicht selbst zu Rechtsstreitigkeiten Stellung nehmen, sondern nur tätig werden, wenn entsprechende Rechtsmittel von den Parteien eingelegt wurden. Ausprägungen des Dispositionsgrundsatzes in der ZPO sind: Erledigung der Hauptsache (§ 91a ZPO), Klagerücknahme (§§ 263 ff. ZPO), Klageänderung (§§ 263 f. ZPO), Verzicht (§ 306 ZPO), Anerkenntnis (§ 307 ZPO) und der Prozessvergleich.
- Der Beibringungsgrundsatz besagt, dass das erkennende Gericht seine Entscheidung nur auf die Tatsachen (und Zeugen-) Beweise stützen darf, die von der jeweils beweisbelasteten Partei angeboten wurden. Erleichtert wird den Parteien die Beibringung durch etwaige Hinweis- und Förderungspflichten des Richters im Rahmen der Prozessleitung nach § 139 i.V.m. § 46 II ZPO.
- BITTE VORSCHRIFTEN HINZUFÜGEN
- Kennen Sie dem Strafprozess eigene Verfahrensmaximen?
- Offizialprinzip (das Anklagemonopol liegt beim Staat, der Strafanspruch wird von Amts wegen, auch gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt; § 152 StPO)
- Legalitätsprinzip (Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten (§ 152 II StPO) ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und bei hinreichendem Tatverdacht (§§ 170, 203 StPO) Anklage zu erheben); § 152 II StPO
- Untersuchungsgrundsatz (Wahrheitserforschung von Amts wegen, § 160 StPO)
- Akkusationsprinzip, die Eröffnung der gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung der Anklage bedingt, § 151 StPO
- BITTE VORSCHRIFTEN HINZUFÜGEN
- Was ist unter dem Beibringungsgrundsatz und dem Untersuchungsgrundsatz zu verstehen?
- Der im Zivilprozess geltende Beibringungsgrundsatz besagt, dass das erkennende Gericht seine Entscheidung nur auf die Tatsachen / (und Zeugen-) Beweise stützen darf, die von der jeweils beweisbelasteten Partei angeboten wurden - auch Ermittlung der formellen Wahrheit genannt.
- Der Untersuchungsgrundsatz ist als Spiegelbild des Beibringungsgrundsatzes zu sehen und spielt eine besondere Rolle im Strafprozess sowie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Er besagt, dass das Gericht die für eine Entscheidung relevanten Tatsachen selbst von Amts wegen ermitteln muss - auch Ermittlung der materiellen Wahrheit genannt.