Sowohl auf Beklagten- als auch auf Klägerseite können mehrere Personen zusammen als Streitgenossen stehen.
A. Einfache Streitgenossenschaft, §§ 59-61, 63 ZPO
I. Entstehung
- Klage durch oder gegen mehrere Parteien
- Verbindung durch das Gericht (§ 147 ZPO)
- parteierweiternde Widerklage
- Eintritt weiterer Kläger/Beklagte während des Prozesses durch Parteiwechsel/-beitritt
II. Zulässigkeit
- Rechtsgemeinschaft (§ 59 1. Alt ZPO), oder
- Einheit der Rechtsgründe (§ 59 2. Alt ZPO), oder
- Gleichartigkeit der Streitgegenstandes (§ 60 ZPO)
- Gleiche Prozessart (ergibt sich aus § 260 ZPO: Jede subj. Klagenhäufung ist eine obj. Klagenhäufung.)
- bei Unzulässigkeit: keine Klageabweisung, sondern Trennung der Prozesse, § 145 ZPO
III. Wirkung
1. Allgemeines
- Die einzelnen Prozessrechtsverhältnisse zwischen den jeweiligen Streitgenossen und dem Gegner/den Gegnern bleiben rechtlich selbstständig.
Rechtshängigkeit tritt für jeden StrGen mit der Zustellung der Klageschrift ein.
2. Prozessvoraussetzungen
- Die Prozessvoraussetzungen werden für jeden Streitgenossen und für jedes Prozessrechtsverhältnis getrennt geprüft.
- Ausn.: Zuständigkeitsstreitwert gem. § 5 ZPO: Der Streitwert wird zusammengerechnet, außer bei wirtschaftlicher Identität der Ansprüche
- Vertretung: eigener oder gemeinsamer RA
3. Verhalten im Prozess
a. Tatsachenvortrag
- Tatsachenvortrag, Angriffs-/Verteidigungsmittel sind für jeden Streitgenossen gesondert zu beurteilen.
Trägt ein StrGen Tatsachen vor, die auch das Prozessrechtsverhältnis anderer StrGen betreffen, wirken die Tatsachen für und gegen die StrGen, wenn diese dem Tatsachenvortrag nicht widersprechen (gemeinsame Tatsachen).
Widerspruch oder Abweichungen zwischen den Vorträgen der StrGen möglich.
- Bestreiten, Nichtbestreiten und Geständnis gelten nur für das jeweilige Prozessrechtsverhältnis.
b. Sonstige
Prozesshandlungen wirken nur für und gegen den handelnden Streitgenossen, § 61 ZPO (Annerkenntnis, Verzicht, Vergleich, Klageänderung, -rücknahme)
- Fristen, Säumnis, Unterbrechung und Aussetzung sind getrennt zu prüfen.
StrGen können im Prozessrechtsverhältnis eines anderen Streitgenossen nur dann als Zeuge aussagen, wenn die Tatsache nur den Prozess des anderen StrGen betrifft, nicht aber seinen eigenen (Str.).
4. Entscheidung
- Unterschiedliche Entscheidung der einzelnen Verfahren möglich.
Rechtsmittel/Rechtskraft für jeden StrGen getrennt zu beurteilen.
B. Notwendige Streitgenossenschaft §§ 62, 63, 61 ZPO
stellt eine Ausnahme von § 61 ZPO dar. Zwar sind auch die notwendigen Streitgenossen gesonderte Streitparteien, die jeweils in einem besonderen Prozessrechtsverhältnis mit dem gemeinsamen Gegner stehen. Die Selbstständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse ist im Interesse einer einheitlichen Entscheidung eingeschränkt. Rechtsstreit kann nur einheitlich entschieden werden. Unzureichende Regelung in § 62 ZPO.
I. Entstehung
1. aus prozessrechtlichen Gründen (auch: zufällig notwendige Streitgenossenschaft)
a. Rechtskrafterstreckung
Rechtskraft des Urteils gegen einen StrGen erstreckt sich auf andere StrGen kraft Gesetzes, z. B. §§ 326, 327 ZPO, § 856 IV ZPO, §§ 179 ff. ZPO.
b. Unteilbarkeit des Streitgegenstands (Str.)
- Gesamthänder klagen gemeinsam, obwohl den einzelnen Einzelklagebefugnis zusteht. Bsp: § 432 BGB, § 1011 BGB, § 2039 BGB.
2. aus materiellrechtlichen Gründen (auch: eigentlich notwendige Streitgenossenschaft)
a. Gesamthandsgemeinschaften
Das streitgegenständliche Recht steht mehreren Personen (Kläger oder Beklagte) gemeinsam zu und kann nur von allen bzw. gegen alle geltend gemacht werden. Nicht jedoch, wenn die Gesamthand selbst parteifähig ist; dann ist die Gesamthand selbst Partei.
b. Gestaltungsklagen im Gesellschaftsrecht
Die Gestaltungswirkung des Urteils tritt gegenüber allen StrGen ein, z. B. §§ 248 S. 1, 249 I 1 AktG: Nichtigkeitsfeststellung oder -erklärung des Hauptversammlungsbeschlusses wirkt gegen alle Aktionäre, Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates; § 133 HGB: die Auflösung der OHG kann nur allen Gesellschaftern gegenüber einheitlich ausgesprochen werden.
3. Keine zwingende Notwendigkeit der Streitgenossenschaft
a. Gesamtschuldner
§ 425 I, II BGB: Die Rechtskraft eines Urteils kann für Gesamtschuldner unterschiedlich ausfallen.
b. Versicherer/Versicherungsnehmer gem. § 3 VIII PflVG
Weil sich die Rechtskraft des Urteils des einen nur bedingt auf den anderen erstreckt.
c. Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung
Die Gesellschafter einer OHG haften neben der Gesellschaft, § 128 HGB.
d. Bürge und Hauptschuldner
II. Wirkung
1. Allgemeines
- Vertretungsfiktion, § 62 ZPO
2. Zulässigkeitsvoraussetzungen
Zulässigkeit der Klage für jeden StrGen gesondert zu prüfen
wenn Klage nur bzgl. eines notw. StrGen unzulässig:
notw. Streitgenossenschaft aus prozessrtl. Gründen: Klage teilweise unzulässig, ansonsten wird die Klage weitergeführt (-> Prozessurteil muss nicht einheitlich ergehen)
- notw. Streitgenossenschaft aus materiellrtl. Gründen: Klage insgesamt unzulässig
3. Begründetheit
Entscheidung bzgl. der Begründetheit kann nur einheitlich ergehen; entgegenstehendes Verhalten eines StrGen wirkungslos
4. Verhalten im Prozess
im Übrigen § 61 ZPO anwendbar; Prozesshandlungen für jeden StrGen und jedes Prozessrechtsverhältnis gesondert zu prüfen
5. Rechtskraft/Rechtsmittel
Rechtskraft entsteht erst, wenn kein Gegner und kein StrGen mehr Rechtsmittel einlegen kann
Rechtsmittel für jeden StrGen gesondert zu prüfen
C. Klausurrelevanz (für Referendare)
- im Rubrum durchnummerieren ("Otto Meyer,..., Kläger zu 1), Hans Müller,..., Kläger zu 2),"
im Tatbestand: falls unterschiedliche Tatsachenvorbringen zwischen den StrGen:
erst den gemeinsamen Vortrag, im Anschluss daran unterschiedliche Vorträge nach StrGen getrennt darstellen, oder
- Tatbestandskomplexe bilden und für jeden Komplex zuerst den übereinstimmenden, dann den divergierenden Vortrag darstellen
KostenEntscheidung gem. § 100 ZPO