Begriffliches
Die Straftheorien, auch Strafzwecktheorien, versuchen eine Antwort vor allem auf zwei Fragen zu geben:
- Welchen Sinn hat die wegen Schuld verhängte Strafe?
- Wie lassen sich Androhung, Verhängung und Vollstreckung der Strafe (theoretisch) rechtfertigen?
Die einzelnen Theorien
Es ist zu unterscheiden zwischen absoluten und relativen Straftheorien, die sich wie folgt einteilen:
- Absolute Straftheorien: Die Strafe stellt den Geltungsanspruch der gerochenen Norm wieder her, sie vergilt das Unrecht. Das Gebot der Gerechtigkeit ist ihre Rechtfertigung.
- Relative Straftheorien: Hier wird bei allen zugehörigen Theorien die Strafe aus der Aufgabe des Staates, Straftaten zu verhindern, abgeleitet.
- Theorie der Generalprävention (Wirkung auf die Allgemeinheit): Die positive versucht das allgemeine Normvertrauen zu stärken, die negative versucht die Allgemeinheit von der Begehung von Straftaten abzuschrecken
- Theorie der Spezialprävention (Wirkung auf den Einzeltäter): Die negative versucht den Täter von der Begehung der Tat abzuschrecken, die positive möchte resozialisieren.
Die Vereinigungstheorien
Es gibt verschiedene Vereinigungstheorien, die versuchen, die einzelnen Aspekte zu vereinen. Diese Theorien kann man, mit Roxin, in zwei Kategorien einteilen: Vergeltende und präventive Vereinigungstheorien. Dabei ist die an einen verfassungslegitimen Zweck gebundene präventive Vereinigungstheorie die wohl insgesamt zur Zeit h.M.; Die präventive Vereinigungstheorie setzt als verfassungslegitimen Zweck - gefordert ist etwas Greifbares, keine reine Wertsetzung - auf den präventiven Rechtsgüterschutz: Zukünftige Angriffe auf Rechtsgüter sollen verhindert, zumindest unwahrscheinlicher gemacht werden. Die Geltung der verletzten Norm wird durch die staatliche Sanktion, das zugefügte Übel, wieder verdeutlicht und bekräftigt. Dies hat dann auf zwei Ebenen Bedeutung: Einmal für die Allgemeinheit, die in ihrem Vertrauen auf den Bestand der Norm gestärkt wird, eventuell abgeschreckt wird. Der Verurteilte soll durch die Strafe einen Impuls zur zukünftigen Befolgung der Gesetze erhalten, indem ihm neben der reinen Sanktion Angebote zur Erlernung normkonformer Verhaltensweisen eröffnet werden.
Schuld
Die Straftheorien müssen zusammen mit der Schuld gesehen werden, da Strafe Schuld voraussetzt. Dies kann mit den Strafzwecken begründet werden, denn wenn die Strafe (siehe oben) die Normgeltung bekräftigen soll, setzt das voraus, dass der Täter die Normgeltung zurechenbar in Frage gestellt hat. Wenn der Täter zwar tatbestandsmässig und rechtswidrig gehandelt hat, dennoch aber die Normgeltung nicht in Frage stellt (etwa weil er irrte oder das Unrecht nicht einsehen kann), wäre die Strafe nicht legitimiert, da ihre Verhängung zum Erhalt des Vertrauens in die Ordnung nicht notwendig ist. Schuld ist letztlich die notwendige (nicht hinreichende) Bedingung der Strafe. Was genau Schuld ist, klären die SchuldTheorien.
Rücktritt vom Versuch
Besondere Relevanz haben die Strafzwecktheorien beim freiwilligen Rücktritt vom Versuch: Der BGH begründet hier die Straflosigkeit des Rücktritts mit dem Wegfall des Strafzwecks (BGHSt 9, 48, 52; 14, 75, 80). Sofern der Täter freiwillig von der Versuchsausführung zurücktritt, zeigt er ja gerade, dass er nicht genügend "rechtsfeindlichen Willen" in sich trägt. Strafe ist in solchen Fällen weder spezial- noch generalpräventiv erforderlich.
Literatur
- Roxin, Strafrecht AT, §3
- Meier, strafrechtliche Sanktionen